Engelwesen repräsentieren die himmlische Welt, das Prinzip des Göttlichen und gelten in allen Kulturen als Vermittler zwischen Gott und den Menschen, wie der griechische Begriff ággelos (sprich: angelos) Bote oder Botschafter bedeutet.
Engel sind keine Erfindung der christlichen Kirche, denn man findet schon Darstellungen von gefiederten Wesen in Mesopotamien um 2250 v.Chr. Auch der Sarkophag des ägyptischen Pharaos Tutanchamun trägt mehrere Engelsdarstellungen. Und um 1200 v.Chr. war es bei den makedonisch-griechischen Ptolemäern, die fast 300 Jahre lang über den gesamten Ägäisraum bis Syrien und den Sinai herrschten, üblich, geflügelte Gestalten über Grabeingänge oder an Grabwände zu malen. Bei den Assyrern kann man Darstellungen von doppelt-geflügelten bärtigen „Männern“ finden, die um 800 v.Chr. in große Steinplatten gemeißelt wurden. Viele davon sind inzwischen von den Milizen des sog. Islamischen Staates (IS) mutwillig zerschlagen worden und für immer verloren.
Die Griechen übernahmen viele Engelsfiguren als Ornamente auf Vasen und schufen die ersten Vollplastiken. Über die Perser wurden diese Vorstellungen in die Überlieferung der jüdischen Religion eingepflegt, wobei jedem Engel eine bestimmte Botschaft zugeordnet wurde. Und schließlich „beerbten“ die Römer die Kulturen ihrer Vorgänger. Kaiser Konstantin verabschiedete 313 das Mailänder Toleranzedikt, in dem festgeschrieben war, dass der christliche Glaube dem römischen Vielgötterglauben gleichgestellt wurde. Und 70 Jahre später wurde unter Theodosius das Christentum zur Staatsreligion erhoben.
Die Bibel erklärte die Engel zu himmlischen, mit Bewusstsein begabte Geistwesen, die unterschiedlich auftraten: als Wächter, Retter, Befreier, Vollstrecker, Berater. Um 500 n.Chr. teilt der Neuplatoniker Dionysius Areopagita die Engel in drei Triaden ein, die uns heute als Seraphim, Cherubim, Throne, Herrschaften, Mächte, Gewalten, Fürsten, Erzengel und Schutzengel bekannt sind.
Für Hildegard von Bingen, deren Vision der Engelshierarchien man im Titelbild sehen kann, sind Engel keine „Kopfsache“, sondern wirkliche Wesen, die mit den Menschen eine lebendige Beziehung führen, sie begleiten und als ihre „Brüder“ durch einen gemeinsamen Vater verbunden sind. Es sind „Engel-Kräfte“, die Hildegard in ihren Visionen schaut. Durch ihre äußere Erscheinung sind sie u.a. erkennbar als Engel der Liebe, Engel der Demut, Engel des Glaubens oder als Engel der Hoffnung.
Für Hildegard sind Engel von Natur aus unsichtbar. Doch manchmal sah sie die Engel „in ihrer lichten Gestalt“: „Ich aber sah während dieser Tage in einer wahrhaften Schau eine große, nach menschlichem Ermessen unzählbare Schar von Engeln aus der Heerschar des heiligen Michael, die mit dem alten Drachen gekämpft hatten.“
Der britische Biologe, Philosoph und Autor Rupert Sheldrake (geb. 1942) beschäftigt sich intensiv und in vielen Publikationen mit Fragen nach Evolution, Geist und Universum und stellte 1981 die Hypothese der morphischen Felder auf, die mittlerweile wissenschaftlich breit anerkannt ist. Sheldrakes wissenschaftliche Erklärung zu Engeln lautet:
„Wenn Engel Überträger des Lichts sind, von sichtbarem und unsichtbarem, umfasst ihre Ausstrahlung ultraviolettes und infrarotes Licht, kosmische Strahlung, Radiowellen, Mikrowellen und Röntgenstrahlen. Sie haben mit dem gewaltigen Komplex der Strahlung zu tun, die den gesamten schöpferischen Kosmos untereinander verbindet und auch die Menschheit auf der Erde durch elektromagnetische Technik wie Radio und Fernsehen miteinander in Verbindung setzt…“
Nach Sheldrakes Überlegungen sind Engel „gequantelt“, denn er sieht außergewöhnliche Parallelen zur Quantenphysik und zur Beschreibung der Photonen von Albert Einstein (1879 – 1955): sie haben keinen Körper, sind masselos und ihre Gegenwart ist nur aufgrund ihrer Aktion feststellbar. Sie sind unsterblich, solange sie sich mit Lichtgeschwindigkeit von einem Ort zum anderen bewegen und im Zuge ihrer Aktivität geben sie ihre überdimensionale Energie weiter.
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